Wir genießen unser Landleben sehr, aber manchmal zeigt sich der Vorteil der Großstadt:
Herr Gold klagt Samstag über Bauchschmerzen, scherzt noch das er sich mit mir Solidarisiert.
Sonntag wird er deutlicher Schmerzen in Höhe der Galle, schläft fast den gesamten Tag, fiebert leicht, nimmt Tabletten - freiwillig.
Sonntagabend "es ist besser" war wohl doch nur gestern Magen verkorkst. Gestern in der Früh "wieder schlimmer - komisch". Gestern über Tag mal kurz telefonier "alles wieder gut".
Gestern abend kommt ein kreideweißer Herr Gold heim, Fieber, starke Schmerzen "vor ner Stunde hat sich das angefühlt als ob mir jemand ne Faust in die Seite rammt, ich hab nen kurzen Moment keine Luft bekommen".
Ich bekomme auch kurzfristig Schnappatmung, die unterschiedliche Szenarien laufen vor dem inneren Auge ab, mein "willst du noch zum Notdienst" (ab 17.00 Uhr haben die Arztpraxen hier zu) wird mit kläglichem "ja" beantwortet. Meine Alarmglocken laufen im Dauerbetrieb.
Ich greife zum Hörer, rufe in der nahegelegenen Notfallpraxis an. 10 Klingeln, Bandansage "Sie werden zur Notdienstpraxis weitergeleitet. In lebensbedrohlichen Fällen wählen Sie die ..." drei Freizeichen, es wird abgehoben und wieder aufgelegt.
Ok,kann ja mal passieren. Neuer Versuch. 4 mal passiert genau das Gleiche. Beim 5. Anruf höre ich "jetzt nicht" bevor aufgelegt wird.
Na vielleicht ist das falsch weitergeleitet worden. Ich klingel im KH an, in dem die Räume der Notfallpraxis sind, schildere kurz was passiert ist Man verbindet mich.
Ein hörbar unfreundlicher Mensch geht ans Telefon "ja, ich hab jetzt keine Zeit, muss zu einer Patientin die behindert ist in XXX. Da hab ich die nächsten Stunden zu tun, wenn es also was ist, was heute noch untersucht werden soll, dann fahren se ins Krankenhaus in die Noftallambulanz". Wohlgemerkt außer der Tageszeit hatte ich noch nichts gesagt.
Ich habe noch einen schönen arbeitsamen Abend gewünscht und aufgelegt.
Herrn Gold geschnappt, in die Ambulanz gefahren, 1,5 Stunden später den Mann mit dem Befund "Galle in Ordnung, aber in der Niere ist Sand, hier sind Medikamente, muss viel trinken und warm halten und die Tage zum Urologen" mit heim genommen.
Wir merken hier deutlich die ärztliche Unterversorgung auf dem Land. Die Landpraxen nehmen niemanden mehr auf, auch nicht als Hausarzt. Der von gestern ist hier im Ort, nimmt auf, aber da will keiner hin, die Vermieterin hat uns vor ihm sogar gewarnt. Seit gestern ahne ich wie empathisch er ist. Und im Gegensatz zu früher wo wir 5 Minuten mit dem Auto vom Klinikum entfernt gewohnt haben, brauchen wir jetzt 20 Minuten um vor Ort zu sein.
Aber gut, man kann nicht alles haben und irgendwann in sehr ferner Zukunft im Grünen abnibbeln ist wohl schöner als im Betonsilo wo es keinem auffällt.
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