Mittwoch, 5. Juni 2013

Charly II



„Ich bins, wir haben wie Du ja schon mitbekommen hast, Besuch. Tut mir leid, ich hätte es Dir ja vorher gesagt, aber ich dachte Du bleibst die Woche über beim Lover und ich wollte dich nicht in der Praxis anrufen. Ich komme sobald der NATO-Alarm vorbei ist – hoffe mal das es nur noch 24 Stunden sind, dann bin ich morgen wieder da. So könnt ihr euch dann auch gleich alleine kennenlernen. Ich muss wieder raus, Du weißt ja das wir eigentlich während dieser Phase nicht nach draußen telefonieren dürfen.“

Es machte klack in der Leitung und ich war genau so schlau wie vorher. 

Mein Kopf begann zu arbeiten:

E. war von März bis Mai in Thailand, erzählte das es ein super toller Urlaub gewesen wäre, der auch mich viel Geld gekostet hatte, denn seine Karten waren ihm geklaut worden und ich hatte ihm, weil er darum gebeten hatte, alles ersparte, zuzuüglich dem Disporahmen (also 10.000DM) via Direktanweisung zugeschickt. Er wollte das Geld dann nach dem Urlaub wieder auf mein Konto transferieren – klar war ja kein Problem. 
Dazu kam es nie, doch das ist wieder eine andere Geschichte.

Charly war eindeutig Thailänder und das was in der Wohnung so roch waren einfach die thailändischen Gewürze und das Essen auf dem Herd. Für mich, die mit gerade etwas über 18 Jahren, vor wenigen Monaten das erste mal Chinesisch gegessen hatte ein zuviel an Gerüchen.

Mittlerweile war Charly etwas ruhiger geworden und schaute mich meist fragend an. Ich entschied mich zum Lover zu fahren, denn alleine mit ihm in der Wohnung und den Gedanken die durch meinen Kopf rasten, ging nicht. 

Er schien etwas traurig als ich ihm mitteilte das ich wieder fahren würde, sprang aber auf umarmte mich und ich - total perplex - erwiderte die Umarmung. 

Dem Lover gefiel es nicht, das ich auftauchte, hatte er doch eine Verabredung für den Abend von der ich nichts wusste, sie war 10 Jahre älter als ich, blond, nuttig und lag nackt auf dem Sofa während er sie...
das war zuviel für einen Tag, ich machte ihm noch nicht mal eine Szene, 
habe ihm nur ein "Scheißkerl" hingeschmissen, 
mich umgedreht und mich wieder ins Auto gesetzt.

Also fuhr ich direkt wieder zurück in mein „Zuhause“ wo der Fremde auf dem Sofa sass und Videos schaute, dem ich ein kurzes „Hi" – zuwarf und mich dann in mein Zimmer verkroch um den Schmerz mit dem Lover raus zu heulen, die konfuse Situation im Zuhause war in dem Moment Nebensache. 

Das Klopfen an der Tür hatte ich nicht gehört und auch nicht gemerkt wie jemand in mein Zimmer kam, ich lag unter der Bettdecke, fühlte nur eine Hand auf meiner Schulter die tröstend streichelte, langsam die Decke wegzog und dann hörte ich „so sorry…“

Charly sass auf der Bettkante, nahm seine Hand sofort zurück als ich mich umdrehte und fragte warum ich traurig sei in seinen Augen standen Tränen. Ich konnte nicht antworten, mein englisch hatte sich verabschiedet und durch das Geheule hätte er mich sowieso nicht verstanden. Er verschwand, kam kurz darauf mit einer Tasse kaltem Kaba

 ob er es von E. wusste, das ich das Zeug nur kalt trinke,
oder ob es einfach Zufall war, habe ich nie erfahren

einem Aschenbecher und Zigaretten wieder. Reichte mir die Tasse, zündete eine Zigarette an und reichte sie mir, so selbstverständlich, als würden wir uns schon Jahrzehnte kennen.

Ganz ruhig und langsam erzählte er mir in engl. von Thailand, seiner Familie, seinem Glauben und dann hatte er mich so weit, das ich ihm erzählte warum ich so traurig sei. Er gab dem Lover üble Schimpfnamen und tröstete mich, ich solle froh sein das ich ihn los bin.

Irgendwann dann sagte er ich solle schlafen, und er würde mir am nächsten Tag meine Fragen beantworten. Dabei hatte ich ihm gar keine Fragen gestellt.

Der nächste Tag in der Praxis verlief ruhig bis auf die Anrufe vom Lover. Der aber dank der Kollegin nicht bis zu mir durchkam. Am Nachmittag rief ich in der Dienststelle an und erfuhr, dass der Alarm weiter geht. Ok, also würde ich alleine mit Charly sein. Die Fragen hatten sich mittlerweile auch kristallisiert und ich war gespannt auf seine Antworten.

Ich fuhr nach Hause und kannte eigentlich die Antworten, dumm war ich nicht und das irgendwas nicht stimmte war mir schon länger klar, nur dieses was bekam gerade eine Form, von der ich nicht wusste ob sie mir gefallen würde.

Ob Charly mir wirklich meine Fragen beantworten würde?




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