Donnerstag, 6. Juni 2013

Charly III

Charly schien auf mich gewartet zu haben.

Klar er war ja in diesem Kaff den ganzen Tag alleine gewesen. Was sollte er hier auch schon machen? 150 Einwohner und 1.000 Kühe.

Er hatte gekocht und im Gegensatz zum Vortag empfand ich den Geruch lecker und freute mich irgendwie.  Wir aßen und dann fing er an zu erzählen. Das er und E. sich im Vorjahr bereits kennen gelernt hätten als E. in Thailand war.

In einer Boy Bar in der er gearbeitet hätte. Er wäre Kellner gewesen, hätte aber keinen Sex für Geld gemacht. Boy Bar? E.? Also doch? Charly erzählte weiter, das sie das ganze Jahr Kontakt gehalten hätten und er jetzt endlich im Mai hätte mitfliegen können, weil E. das Ticket bezahlt habe und die Formalitäten die notwendig gewesen seien.

Immerhin hätte alles zusammen 6.000DM gekostet und dann wären sie zusammen zurück geflogen. E. wäre so treu, seine große Liebe usw. usw. - das in dem Jahr viele "Kameraden" und "Bekannte" hier ein und aus gegangen waren schluckte ich runter.

Zu viel Informationen.

Deswegen hätte ich E. auch nicht am Flughafen abholen brauchen, denn Freunde von Charly hätten sie abgeholt und nun könne er noch einige Monate bleiben und dann müsste man sehen, ob E. für immer mit ihm nach Thailand geht oder ob Charly hier bleibt.



Aber zwischendurch hörte es sich auch immer wieder so an, als denke er, ich wüsste über alles Bescheid. Er war so unbedarft und wirkte so glücklich ich lies ihn erzählen.

Also war E. nach Thailand geflogen um sich dort mit Männern zu vergnügen? Waren die Jungs, die eigentlich das Alter meiner großen Brüder hatten doch keine Kameraden?

Fragen die mir nur E. beantworten konnte, der nicht da war, die aber eigentlich gerade beantwortet wurden und letztlich ging es mich ja auch nichts an mit wem er in die Kiste springt. Ich hatte im Gegensatz zur Erzeugerin, die ja schon seit Jahren verschwunden war, keine Probleme mit Schwulen oder Lesben. Wie Schuppen fiel es mir von den Augen, dass all die Kontakte die durch E. zur "Homo-Szene" entstanden waren, also doch immer was mit seiner paralells Lebensweise zu tun hatte".

Die Fragen wurden in den nächsten Tagen beantwortet. E. outete sich und auch da bekam ich zu viel Informationen.

Charly blieb für 5 Monate und musste dann erst mal wieder zurück. E. wollte das Charly für immer nach Deutschland zieht aber dafür musste er erst noch mal ausreisen. Drei Monate später sollte er zurück kommen. Am Flughafen gab es reichlich Tränen. Charly wollte nicht gehen, E. wollte sich nicht trennen und ich hatte das Gefühl, als ob er mir näher war, als einer meiner großen Brüder mir je sein konnte.

Drei Monate später am selben Gateway fielen wir uns wieder in die Arme. Charly war zurück. Eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung war nicht zu bekommen, wie sich in den nächsten Wochen herausstellte und irgendwann sagte ich in meinem jugendlichen Leichtsinn "dann heirate ich ihn, dann kann er für immer bleiben, ich werde ja sowieso niemals heiraten".

Ich war kurz vor meinem 20. und nach Erkundigung hätten wir uns nach 5 Jahren scheiden lassen können.

E. war dankbar und griff den Vorschlag direkt auf, wiegelte wieder ab und griff ihn dann doch auf. 2 Wochen später bestellten wir das Aufgebot. Wenn alle Papiere vollständig übersetzt wären, würden wir Mitte Juli heiraten.

Es kam nicht soweit.

Charly erfuhr von einem Bekannten, dass E. in seiner Abwesenheit ständig Stricher traf und war hochgradig enttäuscht. Es flogen die Fetzen und letztlich sagte Charly, das er wieder nach Thailand fliegen würde, ich könnte ihn jederzeit besuchen, doch zuerst würde er für ein Jahr ins Kloster gehen.

Wieder flossen Tränen am Flughafen, nur Charlys und meine. E. war nicht mit gefahren. Ich bekam noch 2 Jahre Post von Charly, dann brach der Kontakt ab. Später erfuhr ich, dass er nach der Zeit im Kloster anschaffen ging. So wie alle die, die E. danach noch traf und mit nach Hause brachte. Ich habe in der Zeit mit meinem fast thailändischen Ehemann ein sehr gutes Englisch gelernt, viel über Thailand erfahren und auch vieles über die buddhistische Lebensweise.

Als ich 21 war zog ich aus und brach den Kontakt zu E. ab. Er flog bis 1997 mehrmals im Jahr für vier Wochen nach Thailand und irgendwann kam er mit etwas zurück, was er wohl nicht haben wollte.

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